Beleidigung (§ 185 StGB)
Einleitung
Ein Vorwurf der Beleidigung kann schneller entstehen, als man denkt – ein hitziges Wort im Straßenverkehr, eine abfällige Bemerkung im Internet oder ein Streit in sozialen Medien. Was zunächst unbedeutend wirkt, kann ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach § 185 StGB auslösen.
I. Was ist eine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne?
Nach § 185 StGB begeht eine Beleidigung, wer die Ehre eines anderen durch Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung verletzt. Dabei kann die Äußerung mündlich, schriftlich, bildlich oder durch Gesten erfolgen.
Wesentlich ist, dass die Äußerung geeignet ist, die persönliche oder soziale Wertschätzung des Betroffenen herabzusetzen.
Entscheidend ist nicht, ob der Täter das so wollte, sondern wie der objektive Empfänger die Äußerung versteht.
Beispiele typischer Beleidigungsformen
Schimpfwörter („Idiot“, „Arschloch“, etc.) – im unmittelbaren Gegenüber
Handlungen (z. B. Zeigen des Mittelfingers, Anspucken)
Äußerungen in Chats, WhatsApp-Gruppen oder sozialen Netzwerken
Herabsetzende Kommentare auf Bewertungsplattformen oder in E-Mails
Indirekte Beleidigungen („Wer so dumm ist, braucht keinen Anwalt“)
Auch symbolische Handlungen können strafbar sein, wenn sie ehrverletzend verstanden werden können.
II. Abgrenzung zu zulässiger Meinungsäußerung
Nicht jede kritische oder scharfe Äußerung ist eine Beleidigung.
Die Rechtsprechung schützt die freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG), solange diese nicht in Schmähkritik oder reine Herabwürdigung übergeht.
Abwägungskriterien der Gerichte
Form und Kontext der Äußerung
Anlass und Ort (öffentliche Debatte vs. private Auseinandersetzung)
Verhältnis zwischen den Beteiligten
Intention (sachbezogene Kritik oder bloße Diffamierung?)
Gerade im Internetbereich (z. B. Facebook, Foren, Twitter/X) nimmt die Rechtsprechung eine differenzierte Abwägungzwischen Meinungsfreiheit und Ehrschutz vor.
III. Strafrahmen und Folgen einer Beleidigung
Die Beleidigung ist ein Vergehen, das mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder
Geldstrafe
bestraft wird.
Wird die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) begangen, droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
In der Praxis handelt es sich häufig um sogenannte Privatklagedelikte (§ 374 StPO). Das bedeutet, dass das Verfahren meist nur auf Antrag des Geschädigten eingeleitet wird. Eine Einstellung nach § 153 StPO (geringe Schuld) oder § 170 Abs. 2 StPO (kein hinreichender Tatverdacht) ist oft erreichbar.
IV. Typische Konstellationen in der Praxis
Beleidigung im Straßenverkehr
(z. B. Gesten, Beschimpfungen nach Fahrmanöver)
Beleidigung im Internet oder in sozialen Medien
(z. B. Facebook, Instagram, Foren, YouTube-Kommentare)
Beleidigung von Amtsträgern
(z. B. Polizei, Lehrer, Behördenmitarbeiter)
Arbeitsplatz oder Nachbarschaftskonflikte
(z. B. Streit im Büro, Hausgemeinschaft)
Beleidigung unter Alkoholeinfluss
(mögliche Strafmilderung wegen verminderter Schuldfähigkeit)
V. Verteidigungsstrategien beim Vorwurf der Beleidigung
Ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden – selbst wenn die Tat scheinbar „banal“ wirkt. Eine Verurteilung kann Einträge im Bundeszentralregister nach sich ziehen und das berufliche Ansehen beeinträchtigen.
Als Strafverteidiger gehe ich wie folgt vor:
1. Akteneinsicht und Beweisanalyse
Zunächst beantrage ich Einsicht in die Ermittlungsakte (§ 147 StPO). So lässt sich prüfen:
Welche Beweise existieren (Zeugen, Screenshots, Chatverläufe)?
Liegt tatsächlich eine ehrverletzende Äußerung vor?
Wurden Äußerungen aus dem Zusammenhang gerissen?
2. Prüfung der Tatbestandsmerkmale
Wurde die Äußerung tatsächlich als Missachtung verstanden?
Lässt sich die Äußerung als zulässige Meinungsäußerung deuten?
Lag eine Provokation oder Notwehrsituation vor?
3. Zielgerichtete Verteidigungsstrategie
Antrag auf Einstellung wegen geringer Schuld (§ 153 StPO)
Antrag auf Einstellung mangels öffentlichen Interesses (§ 376 StPO)
Entlastende Einlassung nach Akteneinsicht
Einigung mit dem Anzeigenerstatter (z. B. Entschuldigung, Wiedergutmachung)
Vermeidung einer öffentlichen Hauptverhandlung
VI. Bedeutung des Schweigerechts
Wer eine Vorladung wegen Beleidigung erhält, sollte keine Angaben zur Sache machen. Selbst scheinbar harmlose Erklärungen können später gegen Sie verwendet werden.
Ich übernehme die Kommunikation mit den Ermittlungsbehörden, sichere Ihre Rechte und prüfe, ob sich das Verfahren bereits im Ermittlungsstadium einstellen lässt.
VII. FAQ - Häufige Fragen zur Beleidigung (§ 185 StGB)
Ist eine Beleidigung nur mündlich möglich?
Nein. Auch schriftliche, bildliche oder digitale Äußerungen (z. B. Social Media, E-Mails, Messenger) können tatbestandsmäßig sein.
Was droht bei einer Beleidigung gegen einen Polizisten?
Beleidigungen gegen Amtsträger werden regelmäßig nicht eingestellt und führen häufig zu Geldstrafen in Tagessätzen– insbesondere bei mehrfacher Tat oder öffentlicher Äußerung.
Kann eine Entschuldigung helfen?
Ja. Eine aufrichtige Entschuldigung oder Wiedergutmachung kann zu einer Einstellung des Verfahrens führen oder strafmildernd wirken.
Wann verjährt eine Beleidigung?
Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 78 StGB) ab Tatzeitpunkt.
VIII. Fazit: Frühzeitige Verteidigung ist entscheidend
Ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung sollte nie unterschätzt werden.
Gerade im digitalen Raum lassen sich Äußerungen oft unterschiedlich interpretieren. Eine klare Verteidigungslinie – gestützt auf Akteneinsicht, juristische Bewertung und ggf. Deeskalation – bietet die besten Chancen, das Verfahren ohne öffentliche Hauptverhandlung zu beenden.