Nötigung (§ 240 StGB) – Strafverteidigung beim Vorwurf der Nötigung
Der Tatvorwurf der Nötigung ist in der Praxis vielfältig: von Streitigkeiten im privaten Umfeld über Arbeits- und Nachbarschaftskonflikte bis hin zur Nötigung im Straßenverkehr (Drängeln, Ausbremsen). Auch digitale Konstellationen (E-Mail, Messenger, Social Media) treten zunehmend auf.
Als Strafverteidiger in Leipzig sichere ich frühzeitig Beweise, beantrage Akteneinsicht, prüfe Tatbestandsmerkmale(Gewalt, Drohung mit empfindlichem Übel, Kausalität) und die Verwerflichkeitsklausel des § 240 Abs. 2 StGB – mit dem Ziel, das Verfahren einzustellen, einen Freispruch zu erreichen oder Sanktionen zu minimieren.
I. Gesetzliche Grundlage – Was ist Nötigung?
§ 240 StGB stellt die rechtswidrige Einwirkung durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel unter Strafe, durch die eine Person zu einem Handeln, Dulden oder Unterlassen veranlasst wird.
Strafrahmen (Grundtatbestand): Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren.
Rechtswidrigkeit (§ 240 Abs. 2 StGB): Die Tat ist rechtswidrig, wenn die angewandten Mittel oder der verfolgte Zweck (und ihr Verhältnis) als verwerflich einzustufen sind (Mittel-Zweck-Relation).
Versuch: Der Versuch ist strafbar.
Besonders schwerer Fall (§ 240 Abs. 4 StGB): Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 5 Jahren; ob ein solcher Fall vorliegt, ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung (z. B. erhebliche Intensität der Gewalt/Drohung, gravierende Folgen für das Opfer).
Kernbegriffe:
Gewalt = körperlich wirkender Zwang (auch mittelbar, z. B. im Straßenverkehr durch bedrängendes Fahrmanöver).
Drohung mit empfindlichem Übel = Ankündigung eines Nachteils, der geeignet ist, einen besonnenen Menschen zur Nachgiebigkeit zu veranlassen (z. B. Androhung des Arbeitsplatzverlusts, Anzeige, Rufschädigung).
Kausalität/Zurechnung = Das erzwungene Verhalten muss gerade auf der Gewalt/Drohung beruhen.
II. Abgrenzungen – Was ist keine strafbare Nötigung?
Nicht jede Einflussnahme ist strafbar. Entscheidend ist die Verwerflichkeit:
Zulässige Rechtsausübung (z. B. Androhung einer berechtigten Klage oder Anzeige) ist regelmäßig nicht verwerflich.
Meinungs-/Versammlungsfreiheit: Friedlicher Protest ohne Gewaltanwendung erreicht regelmäßig nicht die Schwelle der Nötigung; Sitzblockaden können je nach Einwirkungsintensität und Folgen problematisch sein (Einzelfallprüfung).
Erpressung (§ 253 StGB): Nötigung mit Bereicherungsabsicht kann als Erpressung zu qualifizieren sein.
Freiheitsberaubung (§ 239 StGB): Wenn durch Nötigung Fortbewegungsfreiheit aufgehoben wird, kommt zusätzlich/alternativ Freiheitsberaubung in Betracht.
Bedrohung (§ 241 StGB): Reine Drohung ohne erzwungenes Verhalten ist ggf. Bedrohung, nicht Nötigung.
III. Typische Fallgruppen aus der Praxis
Nötigung im Straßenverkehr: Enges Auffahren, Ausbremsen, Abdrängen, Blockieren einer Spur – regelmäßig Gewalt i. S. d. § 240 StGB, wenn dadurch physischer Zwang ausgeübt wird.
Arbeits-/Geschäftskontext: Druckmittel wie „Kündigung“, „schlechte Beurteilung“, „Auftragsentzug“. Abgrenzung: Ist das angedrohte Übel rechtmäßig und der Einsatz verhältnismäßig?
Private Konflikte/Partnerschaft: Drohung mit Veröffentlichung privater Informationen, Kontaktverboten, Umgangs-/Sorgerechtsfragen.
Digitale Nötigung: Massennachrichten, Droh-Mails, Erpressungsähnliche Szenarien (ohne Bereicherungsabsicht weiterhin § 240).
Protest-/Demonstrationslagen: Physisches Blockieren Dritter kann zur Nötigung werden, wenn körperlich wirkender Zwang ausgeübt und die Mittel-Zweck-Relation verwerflich ist.
IV. Rechtsfolgen – Strafe, Nebenfolgen, Eintragungen
Grundtatbestand: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis 3 Jahre.
Besonders schwerer Fall: 6 Monate bis 5 Jahre.
Eintragungen: Verurteilungen können im Bundeszentralregister/Führungszeugnis erscheinen (je nach Strafhöhe).
Zivilrechtliche Ansprüche: Schmerzensgeld/Unterlassung möglich.
Berufsrechtliche Folgen: Je nach Branche (z. B. Beamte) disziplinarische Konsequenzen.
V. Verteidigungsansätze – strukturiert und fallbezogen
Akteneinsicht & Beweisanalyse
– Welche Beweismittel existieren (Chats, E-Mails, Dashcam, Zeugen)?
– Zeitliche Abfolge: Kam das erzwungene Verhalten tatsächlich wegen der Drohung/Gewalt zustande?
Tatbestandsprüfung
– Gewalt wirklich körperlich wirkender Zwang?
– Empfindliches Übel: objektive Eignung? konkrete Betroffenheit?
– Vorsatz/Versuch: Nachweisbarkeit der inneren Tatseite.
Rechtswidrigkeit/Verwerflichkeit (§ 240 II)
– Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck; legitime Rechtsausübung?
– Sozialadäquanz der Drohung (z. B. arbeitsrechtliche Sanktion bei Pflichtverletzung).
Rechtfertigung/Schuld
– Notwehr/Notstand? Irrtümer (Verbots-/Tatbestandsirrtum)?
Prozessstrategie
– Einstellung nach §§ 153, 153a StPO (insbes. Ersttäter, geringe Schuld).
– Beweisanträge (Aussagepsychologie, technische Forensik).
– Ziel: Belastungsspitzen entschärfen, Verwerflichkeit in Frage stellen, ggf. Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46a StGB).
VI. Verhaltenstipps bei Vorladung oder Durchsuchung
Schweigen: Machen Sie keine Angaben zur Sache ohne anwaltliche Beratung.
Beweise sichern: Nachrichtenverläufe, E-Mails, Anruflisten, Videomaterial, Zeugen.
Frühzeitige Verteidigung: Ich übernehme die Kommunikation mit Polizei/Staatsanwaltschaft, beantrage Akteneinsicht und entwickle eine taktische Einlassung – oder halte am Schweigerecht fest.
VII. FAQ - Häufige Fragen zur Nötigung (§ 240 StGB)
Reicht eine harte Drohung für den Tatbestand aus?
Nur wenn die Drohung ein empfindliches Übel ankündigt und kausal das Verhalten des Opfers bestimmt – und das Ganze verwerflich ist.
Ist „Anzeige androhen“ Nötigung?
Die Androhung berechtigter Rechtsverfolgung ist grundsätzlich zulässig. Nötigung kommt erst in Betracht, wenn Mittel/Zweck in einer verwerflichen Relation stehen (Einzelfall).
Wie wird Nötigung im Straßenverkehr bewertet?
Manöver wie Ausbremsen/Abdrängen können Gewalt darstellen. Entscheidend sind Gefährlichkeit, Zwangswirkungund Verwerflichkeit.
Ist der Versuch strafbar?
Ja. Der versuchte Einsatz von Gewalt/Drohung kann bereits strafbar sein.
VIII. Fazit
Nötigungsdelikte stehen und fallen mit Detailfragen: Reichweite von Gewalt, Qualität des Übels, Kausalität und vor allem der Verwerflichkeitsprüfung. Eine frühe, methodische Verteidigung – mit klarer Tatsachenaufklärung, konsequenter Subsumtion und durchdachter Prozessstrategie – ist entscheidend, um Einstellungen zu erreichen oder Sanktionen spürbar zu reduzieren.
Als Rechtsanwalt für Strafrecht in Leipzig vertrete ich Sie diskret und entschlossen.
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